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5 typische Denkfehler von Start-ups

Und wie du davon lernen kannst


Ich berate jetzt seit 10 Jahren erfolgreiche App-Unternehmen, aber auch Startups, Mittelständler und Corporates, die neu im Mobile-Geschäft unterwegs sind. Um ihr Geschäft zu digitalisieren, um ihr Wachstum zu beschleunigen oder um ihnen in schwierigen Situationen zu helfen.


Das sich Start-ups, Mittelstand und Corporates prozessual, kulturell und in vielen anderen Aspekten massiv unterscheiden (ich durfte alle drei Unternehmensformen als Gründer, als CEO und als Executive kennenlernen), dürfte keine grosse Überraschung sein. Aber auch bei der Herangehensweise an App-Projekte gibt es signifikante Unterschiede und wiederkehrende Denkmuster, die ich gerne einmal mit dir teilen möchte. 


Beginnen wir in diesem Beitrag mit den Start-ups 👨🏽‍💻🚀


Ein Start-up bei der Arbeit

 


Hier sind meine Top 5 typischen Denkfehler von Start-ups:


1. „Wir reden mit möglichst wenig Leuten über unsere App-Idee, damit sie nicht geklaut wird.“

Ganz ehrlich, nach meiner Erfahrung ist die „Idee“ gerade mal 1% der Journey, 99% sind Team, Produkt, Geschäftsmodell und Marketing. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Business Angel oder ein Investor von deiner Idee so begeistert ist, dass er direkt ein Team zusammenstellt und die Idee klaut, liegt nahezu bei null.


Zumindest erfahrene Investoren wissen, dass es vorallem darum geht ein Team zusammemzustellen, das in der Lage ist schnell und flexibel auf sich ändernde Marktbedingungen, Learnings aus den ersten Nutzer-Tests sowie Oportunities, die sich auf der Reise ergeben, einzugehen. Und das darüberhinaus den Grad an Überzeugungskraft, Drive und Durchhaltevermögen hat, den es bei jedem Startup braucht, um auch schwierige Zeiten zu überstehen.


Deine Idee zurückzuhalten bedeutet vorallem eins: Entschleunigung. Je früher du sie teilst, je mehr du darüber sprichst - vorallem mit kritischen und erfahrenen Aussenstehenden und nicht mit Family und Friends - desto schneller kannst du von ihrem Feedback lernen, anpassen und ggf. pivoten oder die ganze Idee über Bord werfen. Das ist immer besser, als sich auf ein Projekt zu versteifen, viel Zeit und Geld zu investieren und dann erst hinterher zu merken, dass die Idee nicht aufgeht.


Ich empfehle dir hin und wieder den „Hut zu wechseln“. Setz den "Gründerhut" ab und setz den „Devil's Advocate“ Hut auf. Versuche deine Idee in allen Facetten so kritisch zu betrachten, wie es irgendwie geht. Ansonsten nimmt dir spätestens beim ersten Pitch dein gegenüber diese Aufgabe ab. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, wo es ratsam ist, sehr vorsichtig an den Markt zu treten und ohne NDA garnichts zu teilen. Aber die sind äusserst selten. 


 

2. „Wir haben keine Wettbewerber. Unsere Idee ist einzigartig.“

Tausend mal gehört, tausend mal widerlegt. Meist reicht eine kurze Google-Recherche, um direkte Wettbewerber im gleichen Marktsegment ausfindig zu machen. Manchmal muss man etwas tiefer bohren - ich suche dann z.B. auch in den Store Fronts anderer Länder (jedes Land hat einen eigenen App Store). Und ich werde immer fündig. Und dann ist der erste Eindruck schon dahin. Nicht weil ich davon ausgehe, dass die Idee einzigartig sein muss, sondern weil ich davon ausgehe, dass sich die Gründer ausgiebig mit ihrem Wettbewerbsumfeld auseinandergesetzt haben, bevor sie damit an die Aussenwelt treten (und mit ausgiebig meine ich wirklich ausgiebig).


Die gute Nachricht: Auch wenn es die Idee schon gibt - und es gibt wie gesagt eigentlich schon alles - heisst das noch lange nicht, dass sie schlecht ist oder nicht funktionieren kann. Apple hat weder das Smartphone erfunden, noch den MP3 Player, noch die Smartwatch. Aber sie haben diese Produkte neu gedacht und simplifiziert. Nicht die Idee ist entscheident, sondern was du aus ihr machst und wie du die Nutzererfahrung signifikant zu den Vergleichsangeboten verbesserst. 


 

3. „Wir konzentrieren uns jetzt darauf, dass die App funktioniert. Das „Aufhübschen“ kommt später.“

Alles was deine Kunden sehen, denken und fühlen, wenn sie mit deiner App interagieren, sollte oberste Priorität haben. Denn deine Kunden interessieren sich am Ende null für die Komplexität deines Produktes, auch nicht für eure konzeptionelle und wissenschaftlich fundierte Herleitung, die User Personas oder gar für euren Code. Sie beurteilen ausschliesslich das was sie sehen und nicht was alles "unter der Haube" steckt. Also solltest du hierauf deinen Fokus legen.


Damit das gelingt, muss die App von Beginn an kompromisslos customer-centric konzipiert und entwickelt werden und vorallem eins sein: EINFACH. Eine App zu entwickeln und sie hinterher einfach „Aufzuhübschen“ ist einfach nicht möglich. Das wäre ungefähr so, als würde der Architekt ein in der Grundstruktur hässliches Haus bauen, was dann durch weisse Farbe aufgehübscht werde soll. Das Haus bleibt hässlich.


Meine Empfehlung daher: Versuche so früh wie möglich deine Konzepte zu visualisieren, sei es durch Mockups oder noch besser durch einen klickbaren Prototypen. Und lass sie von jemanden testen, der Gespür und Erfahrung hat.


Viele Product Owner stürzen sich leidenschaftlich in die letzten technischen Details und Edge Cases und machen das oft auch sehr gut. Haben dann aber nichtmehr die notwendige Distanz, die Nutzererfahrung als grosses Ganzes zu sehen. Auch mit Nutzer-Tests habe ich bedingt gute Erfahrung gemacht, da die Nutzer nur das beurteilen was sie sehen und nicht in der Lage sind, Dinge vorzuschlagen, die sie z.B. von anderen Apps kennen. In der App Welt gibt es sehr viele fachlich hervorragende Leute, die perfekt mit Github und Jira jonglieren. Aber zu wenig Leute mit Gespür für Ästhetik, Einfachheit und Simplifizierung. Such dir diese Leute und binde sie frühzeitig ein. 


 

4. „Nächstes Jahr werden wir dann internationalisieren.“

Entweder du gehst - nach umfangreicher Marktrecherche - direkt auf den englischsprachigen Markt oder du bleibst erstmal lokal. Das hängt natürlich von vielen Faktoren wie Kategorie, Wettbewerbsumfeld, Geschäftmodell, Preis-Sensivität, Marketing-Kosten und vielem mehr ab. Aber was auch immer für deine App am meisten Sinn macht, fokussiere erstmal auf „den einen Markt“. Kein Investor wird dir abnehmen, dass du nach einem Jahr in Deutschland die Welt eroberst. Wenn du Product-Market-Fit bewiesen hast und deine Growth-Engine nachweislich funktioniert, dann kommt die Expansion von alleine. Das musst du auch keinem Investor erklären, denn er weiss es.


Fokussiere dich auf „Product-Market-Fit“ und auf Vertrieb und Marketing. Investoren geben gerne Geld für etwas, was nachweislich skalierbar ist - deshalb heisst es auch „Wachstums-Kapital“. Das ist aktuell deutlich leichter zu bekommen als "Risiko-Kapital".


 

5. „Für Marketing und Vertrieb holen wir uns einen Experten an Board, wenn wir soweit sind.“

Ja, kann man machen und bekanntlich sind Geld und Ressourcen am Anfang immer knapp und man muss Prioritäten setzen. Allerdings sind die Themen Marketing und Vertrieb für die meisten Startups so elementar wichtig, dass man sich frühzeitig damit auseinerandersetzen sollte.


Zumindest sollte dein Business Plan erklären, wie du deine geplanten Nutzer faktisch erreichst. Meist sehe ich hier High-Level Annahmen wie: "im ersten Jahr erreichen wir 5% vom SOM (servicable obtainable market), im zweiten 10% usw." Das ist schonmal ein guter Ausgangspunkt, aber die entscheidene Frage ist, WIE und ZU WELCHEN KOSTEN ihr diese Nutzer erreicht. Denn die werden nicht vom Himmel fallen, sondern müssen meist über Performance Marketing oder ein smartes Vertriebskonzept eingekauft werden. Hier brauchst du also einen Business Plan der erklärt, unter welchen Annahmen (Conversion Rates) und zu welchen Kosten du gedenkst, diese Nutzer zu erreichen. Das zwingt dich, dein Budget feiner zu planen und hilft immens bei der späteren Investoren-Ansprache. 


So, das war jetzt eine ganze Menge zu lesen. Ich hoffe es war dennoch hilfreich für euch jungen App-Gründer da draussen. Und denk immer daran „Stay hungry, stay foolish“... aber hab auch deine Zahlen im Griff und setz dir hin und wieder den „Devil's Advocate“ Hut auf. 


In meinem nächsten Beitrag teile ich mit dir die Top 5 Fehleinschätzungen des Mittelstands. Bis nächste Woche!


Tom 




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