Die Zukunft oder zum Scheitern verurteilt?
Mit dem Digital Markets Act (DMA) hat die Europäische Union ein Gesetz erlassen, das für faire und offene digitale Märkte sorgen soll und an das sich auch der App Store zukünftig halten muss.
Eine der Änderungen ist, dass der App Store zukünftig das „Side-Loading“ über andere Marktplätze (sog. alternative marketplaces) und über das Web zulassen muss. Was sich viele App-Anbieter seit Jahren wünschen, kommt jetzt also tatsächlich, zumindest in der EU.
Aber bevor du jetzt „Hurra“ schreist, das wichtigste vorweg: Webdownloads sind nur für Apps erlaubt, die im letzten Kalenderjahr in der EU über 1 Mio. (!) Downloads generiert haben. Und auch für alternative Marktplätze sind die Hürden recht hoch. Somit dürften die neuen Optionen für die meisten Anbieter kaum eine Rolle spielen… Aber der Reihe nach.
Wer weiterhin seine Apps in der EU über den App Store vertreiben möchte, der kann das natürlich tun. Wer in der EU Web-Downloads anbieten möchte, muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
App Developer Account innerhalb der EU
Du musst über einen Apple Developer Account verfügen, der in der EU ansässig ist. Das dürfte für die meisten hiesigen Anbieter der Fall sein.
Mindestens zwei Jahre Mitglied im Apple Developer Program
Dein Account muss mindestens zwei Jahre alt sein. Damit fällt die Option für neue Anbieter schonmal raus.
Über 1 Mio. Downloads im letzten Kalenderjahr in der EU
Web-Downloads sind nur zulässig, wenn du im vergangenen Kalenderjahr über 1 Mio. iOS Erst-Downloads deiner App verzeichnen konntest. Damit fallen die meisten Accounts raus.
Nur Apps aus dem Developer Acccount
Du darfst Web-Downloads nur anbieten, wenn du die betroffene App auch über den App Store Developer Account „hostest“.
Die Website muss vom App-Anbieter betrieben und in App Store Connect registriert sein
Damit kannst du deine Apps also nicht über mehrere beliebige Website vertreiben, sondern nur über eigene Websites.
Neue Geschäftsbedingungen
Du musst die neuen Geschäftsbedingungen für die EU akzeptieren. Welche Änderungen damit einhergehen habe ich für dich in diesem Beitrag zusammengefasst.
Wir halten fest: Anbieter, die tatsächlich über der 1 Mio. Download-Marke liegen und auch die übrigen Anforderungen erfüllen, dürften zukünftig Web-Downloads über ihre eigene registrierte Website anbieten.
Auch wenn du deine Apps über alternative Marktplätze vertreiben möchtest, gibt es eine Vielzahl von Voraussetzungen. So musst du zunächst das Angebot und die AGB des Marktplatz-Anbieters prüfen und akzeptieren, bevor du eine Verbindung in App Store Connect einrichten kannst. Dann benötigst du einen Sicherheitstoken, um den alternativen Markplatz „anschliessen“ zu können. Grösstes Problem dürfte sein, dass es bisher kaum alternative Marktplätze gibt.
Werden sich Web-Downloads und alternative Marktplätze durchsetzen? Mein Fazit.
Letztlich werden die Kunden entscheiden, über welche Kanäle sie Apps herunterladen und nicht die Europäische Union. Die primären Einflussfaktoren für die Kundenentscheidung sind aus meiner Sicht „Trust“, „Convenience“ und „Angebotsvielfalt“.
Trust
Der App Store geniesst ein hohes Vertrauen, das über viele Jahre aufgebaut wurde. Diesen Vertrauensvorschuss aufzuholen, dürfte für alternative Vertriebsplattformen äusserst schwierig werden.
Convenience
Alle Apps innerhalb eines „Eco-Systems“ herunterladen zu können, so dass sie auf verschiedenen Geräten reibungslos funktionieren und mit zahlreichen Zusatzfeatures nahtlos interagieren ist ein Riesen-Vorteil.
Angebotsvielfalt
Alle Apps an einem Ort. Wer einmal wechselt und nicht findet was er sucht, wird schnell zum gewohnten Marktplatz zurückkehren. Es wird sehr lange dauern, bis alternative Marktplätze ein ähnliches Angebotsportfolio aufbauen.
Kurz: Wenn ein alternativer Marktplatz nicht mehr oder Besseres anzubieten hat, als der App Store, werden die Kunden kaum wechseln.
Auch aus der Perspektive neuer Marktplatzbetreiber bin ich eher skeptisch, dass wir viele alternative Marktplätze sehen werden. Zu hoch die Entwicklungskosten, zu gross der Abstand zu den bestehenden Playern und zu schwierig, Entwickler überhaupt für eine neue Plattform zu akquirieren. Denn der Vertrieb über jede weitere Plattform bedeutet für die App-Anbieter signifikanten Mehraufwand.
Markt-Eintrittschancen sehe ich, wenn überhaupt, nur über exklusive Inhalte, innovative Features und niedrigere Preise.
Exklusivität
Fortnite nur erhältich auf einer Fortnite-Website - funktioniert. Gleiches gilt für starke Marken und Apps, die so beliebt sind, dass die Nutzer bereit sind, alternative Angebote zu nutzen.
Innovation
Der App Store hat sich in den letzten Jahren - zumindest Frontend-seitig - kaum weiterentwickelt. Das letzte grosse Update war meines Erachtens die Unterteilung in "Apps" und "Spiele" und die Einführung des "Heute" Tabs und das war 2020. Und viele Bereiche des App Stores werden nach wie vor redaktionell kuratiert. Wie wäre es, wenn ein neuer Anbieter ein völlig neues KI-basiertes Kundenerlebnis schafft? Nicht suchen oder stöbern, sondern automatisch Kontext-sensitive Angebote bekommen. Wie wärs mit Sprachsteuerung statt App-Download? Wie wärs mit mehr Community-Features und Lösungen für die beliebtesten Spiele, alles an einem Ort? Ja, das könnte funktionieren. Und mir fallen sicher noch mehr Dinge ein, wenn ich länger darüber nachdenke...
Preis
Preis zieht immer, so auch bei den Entwicklern. Günstigere Provisionen oder völlig neue Preismodelle (die ersten X Verkäufe sind provisionsfrei) dürfte eine weitere Einflugschneise für neue Marktplätze eröffnen.
Nach meiner Einschätzung wird es noch mindestens zwei Jahre dauern, bis wir alternative Marktplätze sehen, die den App Stores nur ansatzweise gefährlich werden könnten. Web-Angebote werden für grosse IP funktionieren, aber das App-Geschäft in seinem Kern kaum verändern. Angesichts der Market-Oportunity (und potentiellen Bedrohung) gehe ich davon aus, dass die grossen Player bereits an neuen Ideen arbeiten oder sie einkaufen werden.
Wie schätzt du das ganze ein? Ich bin sehr gespannt auf deine Meinung zu dem Thema.
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